Laudatio von Marita Breuer

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Die Laudatio von Heimat-Hauptdarstellerin Marita Breuer zur Übergabe des Ehrenpreises Schnitt am 28. Oktober 2019 auf Heidi Handorf:

Es gibt Sätze, die sagt man nicht oft zu anderen Menschen. Und manche Sätze sagt man sogar nur ein einziges Mal im Leben. Wie zum Beispiel diesen: „Liebe Heidi, wir zeichnen dich heute für dein Lebenswerk aus.“

Aber wenn ich heute die Person bin, die ihn sagt, dann spreche ich ihn nicht alleine. Sondern ich bin das Sprachrohr für viele, viele Menschen, die das Glück hatten, mit dir arbeiten zu dürfen. 

Uns Beide verbindet besonders eine Arbeit, der elfteilige Fernsehfilm „Heimat“. Ein Projekt, das uns viele Jahre begleitet hat. Eine intensive Zeit, in der Abgeschiedenheit eines kleinen Dorfes im Hunsrück, wo wir alle ausschließlich nur für die Dreharbeiten gelebt haben. Natürlich kam das wirkliche Leben auch nicht zu kurz: Steinpilze sammeln in unbeschreiblichen Mengen, die darauf folgenden Pilzorgien kann man sich dann vorstellen. Die Abende bei Molz mit Bratkartoffeln und Gürkchen, die Dorfziege „Edgar“ die so schön meckern konnte... so ein Alltag in einer Ausnahmesituation schweißt zusammen.

Wir haben eine Strecke unserer Lebenszeit miteinander verbracht und das verbindet. Das Band zwischen uns ist über dreißig Jahre nicht gerissen. Wann immer ich in München war, oder du in Köln beschäftigt warst haben wir uns getroffen und die Verbindung war sofort wieder da. Egal wie viele Jahre dazwischen lagen. Was mich an Dir, Heidi, immer beeindruckt und berührt hat ist Dein glasklarer, analytischer, völlig unsentimentaler Blick auf einen Film, und gleichzeitig laufen Dir Tränen übers Gesicht, wenn du dich von einer Szene, oder einem Bild berührt fühlst. Was für eine Mischung.

Ich habe vor ungefähr zwei Wochen mit Edgar Reitz telefoniert und natürlich habe ich ihn gefragt, wie er Deine Arbeit beschreiben würde, oder was sie besonders auszeichnet. Da kam sofort, ohne langes Nachdenken der Satz: „Die Heidi ist eine Schnittmeisterin der alten Schule, eine Perfektionistin, wie man sie nur selten antrifft.“

Er beschrieb mir, dass du dich oft zwei bis drei Tage in den Schneideraum zurückgezogen hast und dich ins Material vertieft hast. Dass du dich Stundenlang mit Schnitten befasst hast, um kleine Korrekturen vorzunehmen, die Abläufe ganz unmerklich und elegant erscheinen lassen.

Dabei hattest du immer einen besonderen Blick auf die Schauspieler. Und vielleicht ist es ein Berufsgeheimnis der Editoren, wie sehr ihre Arbeit dazu beiträgt, uns nicht nur gut aussehen, sondern auch spielen zu lassen. Ich war nie dabei, wenn du das Material einer Szene gesichtet hast. Wenn du Takes, einzelne Sätze und Blicke immer wieder verglichen hast, um eine Schauspielleistung sichtbarer zu machen, sie zu schärfen. Damit die Szene kraftvoll, ergreifend und eindrucksvoll wird.

Du bist eine Editorin, die dem Gesamtwerk dient, ihre Arbeit in den Dienst der Sache stellt, ohne sich selbst profilieren zu wollen.

Du hast auf dieser „Ratterkommode“, wo man sich gar nicht vorstellen konnte, dass da Kunst entsteht, mit großem handwerklichen Können und Geschicklichkeit gezaubert.

Ich soll Dir einen ganz herzlichen Gruß und seine Glückwünsche übermitteln.

Du hast mehr als 80 Filme durch deine Montage gestaltet – das sind sehr viele Filme. Es ist mit deiner Arbeit beim Filmschnitt wohl ähnlich wie bei deiner Liebe zum Kochen – und zum Essen: Es gibt nur Wenig, was du nicht ausprobiert hast. Und wenn du dich für etwas begeistert hast, dann hast du dich richtig hinein gekniet.

Wie die Festivalmacher von Filmplus in ihrer Ankündigung ganz richtig schreiben, ist es kein Zufall, dass du immer wieder Filme gemacht hast, die einen bedeutenden, zeitgeschichtlichen, politischen Hintergrund hatten. Jeder Tag beginnt für Heidi mit der ausführlichen Lektüre der "Süddeutschen" und sie hat zu allem eine Meinung, die sie, wenn nötig, auch vehement verteidigen kann.

Du hast mit vielen deiner Filmprojekte im Schneideraum dein persönliches Interesse an der Gesellschaft und deinen Mitmenschen sprechen lassen. Und dieses Interesse hörte nicht bei deiner Arbeit auf. Jede Woche liest du, der du Bücher liebst, Kindern bei den Lesefüchsen etwas vor. 

Du hast dich immer wieder für Familien eingesetzt, die nach Deutschland gekommen sind, um hier ein besseres Leben zu finden. Und Bildungsarbeit mit Kindern war dir dabei immer besonders wichtig, wie auch deine ehrenamtliche Arbeit als Mediatorin an einer Schule. Du trägst das Herz am rechten Fleck – und manchmal auch auf der Zunge.

Du engagierst dich und unterstützt.

Du wirst gebraucht.

Und du trägst.

Dieser Preis soll dich darum auch für etwas auszeichnen, was dich als Menschen ausmacht: Nämlich die große Achtung und den Respekt, den du vor der Würde des Anderen hast.

Und deine Befähigung, davon etwas in deinen Arbeiten sichtbar nach außen zu tragen – mit deiner Kunst, der Filmmontage.

Ich glaube, das ist eine gute Definition für etwas, das man nur „Talent“ nennen kann. Und damit, liebe Heidi, bist du gesegnet wie kaum eine andere.

Herzlichen Glückwunsch!

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